BEAUTY AND THE BEAST
Art on Site, Kaliningrad, Moskau, 2009
Bernsteinbild, entstanden mit einem öffentlichen Fotoshooting
vor dem Dom Sowjeto, 230cm x 133cm

Interview von Irina Chesnokova mit den Künstlern Corbinian Böhm und Michael Gruber

Wie hat sich Ihre Projektarbeit gestaltet?
Unsere Projektarbeit erinnerte an das Sammeln eben jenes Bernsteinmosaiks: zu jedem einzelnen Stück Bernstein das nächste, dazu passende Stück zu suchen. Genauso haben wir unsere Eindrücke gesammelt und uns bemüht, aus ihnen ein ganzes Bild zusammen zu setzen. Uns war schnell klar, dass das Bild vom Haus der Räte für uns wichtig ist und der Ort, an dem es gebaut wurde, den ehemaligen Schlossplatz von Königsberg. Es ist ein echtes Symbol dieser Geschichte: Niemand wohnt darin, aber es existiert, und die Stadt und ihre Einwohner müssen darüber nachdenken, was sie mit ihm machen und wie sie mit ihm leben sollen.


Ist das Thema Geschichte Ihrer Meinung nach das Wichtigste in Kaliningrad?
Geschichte ist bis jetzt noch eine offene Wunde für Kaliningrad. Der Krieg und die Jahre danach leben bis heute im Gewebe der Stadt weiter. Es scheint, als ob die Menschen sich bis jetzt noch nicht mit der Stadt identifizieren konnten. Hier sind so viele historische Schichten miteinander vermischt. Erstens ist da das alte Königsberg, dessen Bild für die Einwohner sehr wichtig ist. Die russische Bevölkerung fühlt sich zu den alten Königsberger Wurzeln hingezogen. Zweitens findet man die sowjetische Epoche, während der die Reste der Altstadt zerstört und eine neue Stadt gebaut wurden. Die dritte Schicht ist die der Gegenwart mit dem Streben nach dem Neuen, mit der Werbung, mit ihrer Leuchtkraft und Dynamik. Und wir haben uns gefragt: Was könnte wohl das Symbol eines modernen Königsbergs sein? Wenn wir zur Erinnerung eine Postkarte aus Kaliningrad gekauft hätten, was wäre dann wohl darauf abgebildet gewesen? Wir beschlossen, unser ganz persönliches Kaliningrader Souvenir herzustellen. Aus seiner Geschichte haben wir den Bernstein genommen, aus der sowjetischen Vergangenheit das Haus der Räte, und die Frage nach der Gegenwart haben wir den Kaliningradern selbst gestellt.





Und warum wurde das Bild eines Mädchens und eines Autos zur Antwort auf diese Frage?
Die Mehrheit der Kaliningrader hält das Haus der Räte für monströs und missgestaltet und für absolut ungeeignet, ein Symbol der Stadt zu sein. Deswegen haben wir uns die Frage nach dem Schönen und dem Hässlichen gestellt. Welche Schönheit kann man dem gegenüberstellen, was die Einwohner das “Monster” nennen? Wir begannen, die Einstellung der Kaliningrader zum Thema Schönheit zu untersuchen. Schönheit ist für die Leute hier sehr wichtig. Die Frauen investieren viel Zeit, Geld und Energie in ihr Aussehen und die Männer ihrerseits in die Schönheit ihrer Autos. Wohin man auch geht, überall sieht man Modenschauen, in jedem Café steht ein Fernseher auf dem Fashion TV gezeigt läuft. Deshalb musste unser Biest, das Haus der Räte, zwangsläufig auch seine Schöne bekommen. An dieser Idee gefällt uns der Kontrast des Vergangenen und Gegenwärtigen, des Leblosen und Lebendigen, dessen, was die Einwohner hässlich und was sie schön finden. Aber vielleicht ist auch alles komplizierter und man kann gar nicht immer genau sagen, wer in dieser Situation die Schöne und wer das Biest ist.